„Gartenstadt Waltrop" e.V. 

gegr. 1972 

Chronik

 Waltrop bekommt eine Kleingartenanlage

„Waltrop bekommt eine Kleingartenanlage“. Dieser Ratsbeschluss von 1976 erregte großes Aufsehen. Und er war nicht unumstritten, wie Altbürgermeister Jochen Münzner in seinem Grußwort in dieser Festschrift anklingen ließ. Doch es war ein bürgernaher Beschluss. „Die Stadt hat ihr Geld nie besser angelegt“, versicherte er zehn Jahre später. Den Anstoß dazu hatte Norbert Frey gegeben, damals Stadtkämmerer und späterer Stadtdirektor. Weitsichtig trugen beide, Kämmerer wie Bürgermeister, schon in der Planungsphase Sorge dafür, dass die geplante Anlage als Dauerkleingartenlage im Bebauungsplan festgeschrieben wurde.

Das Interesse der Waltroper Bürger an einem Kleingarten war von Anfang an groß, sowohl an einer eigenen Parzelle als auch an einer stadtnahen Grünanlage. Und das Interesse ist ungebrochen, denn in der 25-jährigen Gartenstadt-Geschichte war eine Parzelle selten länger als zwei Wochen ohne Besitzer. Der Verein hat heute 218 Mitglieder. Das große öffentliche Interesse zeigen vor allem aber die jährlichen Besucherzahlen.

Einmal beschlossen, gewann das Projekt „Kleingartenanlage“ schnell an Fahrt. Bei einer Informationsveranstaltung der Waltroper Stadtverwaltung und des Landesverbandes der Kleingärtner Ende 1976 in der Stadthalle bekundeten weit über 200 Waltroper ihr Interesse an einer der 96 Parzellen. Am 28.1.1977 steckte die Stadtverwaltung in einem Schreiben an alle Parzellenbewerber den formalen Rahmen ab. Damit wurden gleichzeitig etliche falsche Vorstellungen vom Wochenendhäuschen mit Wiese und Grillplatz ausgeräumt.

Die Gartenstadt Waltrop aus luftiger Höhe

 Die erste Stunde

Die Gründungsversammlung am 9.Mai 1977 füllte wieder die Stadthalle. Zum Kleingärtner fühlte sich jeder berufen. Die Führung eines völlig neuen Vereins ohne jede Tradition zu übernehmen, der sich in Waltrop weder auf Vorbilder noch Tradition stützen konnte und dies mit lauter unbekannten Mitgliedern, dieses schwere Amt mochte so recht niemand antreten. Eine ziemliche Weile herrschte betretenes Schweigen. Der Hauptgeschäftsführer des Landesverbandes, Wolfgang Sulk, versicherte wortreich alle Hilfe des Verbandes, doch niemand rührte sich oder bewegte den Kopf, um nicht selbst „ausgeguckt“ zu werden, geschweige dass sich ein Arm hob. Bis ein erleichterter Ruf durch die Halle ging: „Da ist einer.“ Und dann ging ein Arm hoch - oder wurde er gehoben? Nur wenige kannten ihn: Manfred Fischer. Er war ein Glücksfall für den Verein.

Manfred Fischer brachte alle Voraussetzungen mit, die sich ein Verein für seine Leitung nur wünschen kann: einzigartiges Engagement und hohe Qualifikation im kaufmännischen und technischen Bereich. Er hatte hervorragende Ideen und vermochte, seine Vorstandskollegen und die Vereinsmitglieder auch davon zu überzeugen. Dabei verlor er nie das Augenmaß für das Machbare. Und so hatte er während seiner gesamten Amtszeit, die 1999 mit seinem frühen Tod endete, die Mitglieder stets in überwältigender Mehrheit hinter sich.

Männer der ersten Stunde

Eine ebenso glückliche Wahl traf die Gründungsversammlung mit seinen weiteren Vorstandsmitgliedern: Fritz Seega als Stellvertretendem Vorsitzenden, dem ebenfalls viel zu früh verstorbenen Schriftführer Hugo Schulz, und später Ewald Klöting als seinem Nachfolger sowie dem Kassierer Günter Warnberger. Anton Welling verwaltet seit 1981 die Finanzen des Vereins und ist als Gründungsmitglied „dienstältestes“ Vorstandsmitglied.

Mit der Vorstandswahl konnte der Verein endlich aktiv werden. Er schloss sich dem traditionsreichen Bezirksverband Castrop-Rauxel an, der aus diesem Grunde sogar seinem Namen den Anhang „Waltrop“ zufügte.

Von Anfang an stand fest: die gesamte Kleingartenanlage entsteht in Eigenleistung. Das verlangte vom Vorstand eine generalstabsmäßige Planung der Arbeiten. Kompetente Leiter für die verschiedenen Gewerke fanden sich unter den Mitgliedern, die handwerklich-fachliche Durchführung der Arbeiten war gesichert.

Knochenarbeit

Am 21. November 1977 senkte Bürgermeister Jochen Münzer die Schaufel eines Radladers erstmals in den morastigen Boden des Geländes, das sich bald in eine schöne Gartenlandschaft verwandeln würde. Sofort nach diesem symbolischen ersten Spatenstich brach hier emsige Betriebsamkeit aus. Das Bauamt trat in Aktion, vermaß Freiflächen, Parzellen und Lauben und legte die Wege an. In enger, unbürokratischer Kooperation zwischen Stadtverwaltung und Verein gingen die Arbeiten zur Erschließung des Geländes zügig voran.

So bald es das Wetter zuließ, packten die Kleingärtner zu. Doch ihr Elan erfuhr gleich eine harte Belastungsprobe: Rund 5.000 Meter Gräben für die Versorgungsleitungen waren streckenweise durch zähen Emschermergel zu ziehen – mannsbreit und 80 cm tief. Oft drangen die Spitzhacken mit dumpfem Schlag nur wenige Zentimeter in den zähen, graugelben Grund und oft musste der Aushub mit Spachteln von der Schüppe gekratzt werden. Insgesamt wurden für die Erstellung der Infrastruktur über 15.000 Arbeitsstunden von den Vereinsmitgliedern erbracht.

Richtfest in Rekordzeit

In gemeinschaftlicher Arbeit entstanden auch die 96 Gartenlauben. Wer nicht mauern konnte, durfte Steine oder Speis herankarren oder – wenn er Glück hatte – Speis mischen. Und es bewahrheitete sich auch hier die alte Baustellenweisheit: „Ein guter Maurer verschleißt pro Tag zwei Hilfskräfte.“ Doch mit jedem Stein, um den die Lauben wuchsen, war man auch dem Ziel wieder näher.

Viele Mitglieder opferten ihren Jahresurlaub, jeder freie Samstag wurde in der Kleingartenanlage verbracht. Und schon am 2. Oktober 1978 konnte das Richtfest der ersten Laube gefeiert werden. An diesem Tage wurden den Mitgliedern auch ihre Parzellen zugewiesen – durchweg diejenige, die auf der zuvor eingereichten Wunschliste notiert waren. Die Erstellung der Lauben in Gemeinschaftsarbeit ist bislang einzigartig im deutschen Kleingartenwesen.

In gemeinschaftlicher Arbeit entstand auch das Wegebegleitende Grün. Etwa 6.000 Rosen und über 130 Sträucher unterschiedlichster Arten wurden neu gepflanzt. Für die Kinder entstand ein großer, moderner Spielplatz mit etlichen Großgeräten. Am 19. August 1979 schließlich weihte Bürgermeister Jochen Münzner die „Gartenstadt Waltrop“ feierlich ein.

Goldmedaille

Dieser Tag markiert zudem den Zeitpunkt, an dem in den Parzellen die gärtnerische und den Gartenlauben die innenarchitektonische Gestaltung weitgehend abgeschlossen war. Bis dahin hatte jeder „Gartenstädter“ zwischen 12.000 und 17.000 Mark in seine Laube und Parzelle investiert, insgesamt also um die 1,5 Mio. Mark. Das Geld blieb überwiegend in Waltrop. Dieser ökonomische Aspekt wurde in der Öffentlichkeit nie so recht dargestellt.

Bundesweite Anerkennung erfuhr die Stadt wie auch der Kleingärtnerverein schon 1981. Im Wettbewerb „Gärten im Städtebau“ errangen sie die Goldmedaille. In der Laudatio wurde neben dem hervorragenden optischen Eindruck die stadtnahe Einbindung der Anlage in den städtischen Grüngürtel besonders hervorgehoben. „Wir liegen kinderwagennah an der Stadt“, brachte es damals Manfred Fischer auf den Punkt.

"Gartenstadt" wir komplett

Und noch einmal packten Waltrops Kleingärtner gemeinsam an: das „Haus der Kleingärtner“ entstand. Am 2. April 1983 grub sich erstmals der offizielle Spaten in den Boden und am 14. April 1985 wurde das Haus mit berechtigtem Stolz eingeweiht. Dazwischen lagen zwei Jahre harter Arbeit. Jedes der damals 216 Mitglieder erbrachte 235 Arbeitsstunden, die Baufachleute deutlich mehr. Die Materialien für dieses Vorhaben wurden ebenfalls ausschließlich in Waltrop bzw. der nächsten Umgebung beschafft.

Das repräsentative Haus entstand unter der Leitung der Vereinsmitglieder Jürgen Franzen, Architekt, (Entwurf und Planung), Helmut Kammler, Bauingenieur, (Ausführung) mit engagierter Unterstützung von Ludwig Schneider. Sie sorgten mit ihrer hohen fachlichen Kompetenz für die reibungslose Durchführung des Bauvorhabens und hatte für jedes auftretende Problem stets eine praktikable Lösung.

Ökologisches Denken und das Bewusstsein der großen Verantwortung gegenüber der Natur setzte sich in der „Gartenstadt Waltrop“ sehr schnell durch und bestimmt seit vielen Jahren das gärtnerisches Tun. Nach außen manifestiert sich diese Überzeugung in dem lebendigen Feuchtbiotop, der biologisch wertvollen Trockenmauer, dem interessanten Vogellehrpfad und dem vorbildlichen Bienenhaus. Diese für ein ökologisches Gleichgewicht bedeutenden Einrichtungen entstanden nach und nach in den Jahren zwischen 1992 und 2000.

Ökologische Visitenkarte

An dem von Hobbygärtner viele Jahre betriebenen Kult um das imponierendste Gartenprodukt haben sich Waltrops Kleingärtner allenfalls zu Beginn und auch nur marginal beteiligt. Doch am alle zwei Jahre stattfindenden Wettbewerb um die schönste der insgesamt 14 Kleingartenanlagen des Bezirksverbandes nimmt die Gartenstadt seit der ersten Obstblüte teil. War die Teilnahme zunächst vom olympischen Gedanken getragen, fand die „Gartenstadt“ zunehmend Anerkennung bei den nordrhein-westfälischen Juroren. Im Jahr 2000 wurde der Ehrgeiz schließlich mit dem Sieg belohnt, nachdem zuvor bereits 1994 der dritte, sowie 1996 und 1998 der zweite Platz belegt wurde. Die Gartenstadt ist somit eine der schönsten Anlagen des Bezirksverbandes.

Verantwortungsbewusst in die Zukunft

Stand ursprünglich der wirtschaftliche Nutzen im Vordergrund, hat der Kleingarten heute große sozialpolitische und besondere umweltpolitische Bedeutung. In dieser zunehmend hektischen Zeit finden hier viele Familien mit ihren Kindern neben Ruheständlern in natürlicher Umgebung Erholung und körperliche und seelische Entspannung. Die von ihnen geschaffenen und erhaltenen naturnahen Lebensräume für Pflanzen und Tiere leisten einen heute mehr denn je unverzichtbaren ökologischen Beitrag. Der Kleingärtnerverein „Gartenstadt Waltrop“ wird sich dieser seiner Verantwortung gegenüber Gesellschaft und Natur in der Zukunft stellen.